Archiv für den Monat Mai 2013

Aussendung zur 12. Festival-Ausgabe

In etwa könnte dieser erste Versuch das Vorwort des Programmhefts werden…

Mit seiner 12. Ausgabe wird das diesjährige Internationale aDevantgarde-Festival fast ein Vierteljahrhundert alt. Seit seiner Gründung versteht es sich als Plattform für junge und junggebliebene Ansätze der zeitgenössischen Musik wie Komponistinnen und Komponisten, Ensembles und Konzertkonzepte. Ein Merkmal von aDevantgarde ist zudem die bei ähnlichen Festivals nur selten anzutreffende Fähigkeit, sich immer wieder selbst durch basisdemokratische Prozesse im Vorfeld der Planung und immer wieder neue Gesichter in der Festivalleitung selbst zu erneuern. Diesmal konzipierten wir als Festivalleitung – die Komponisten Johannes X. Schachtner und Alexander Strauch – gemeinsam mit weiteren Mitgliedern unseres gleichnamigen Trägers (aDevantgarde e.V.) das Programm für 2013.

Mit dem lateinischen Motto „missa est“, was in etwa „Seid ausgesandt!“ bedeutet, wenden wir uns dem Spannungsfeld von Dogma und Antidogma zu. Rangen ganz im Sinne der Herkunft des Mottos aus dem katholischen Messordinarium die Verfechter oder Erneuerer des Glaubens existentiell um die richtige Auslegung ihrer „Aussendung“, wissen wir heute um den Dogmatismus der seriellen Musik der Mitte des 20. Jahrhunderts und kennen zugleich die antidogmatischen Kritiken und Gegenentwürfe eines György Ligeti, Arvo Pärts und Wilhelm Killmayers oder einer ganzen Generation von „Postmodernen“ und „neuen Einfachen“ ab Mitte der Sechziger Jahre des letzten Jahrhunderts. Heute blicken wir mit einem lachenden Auge zurück und sind froh, dass diese Grabenkämpfe vorüber sind. Mit einem heimlich weinendem Auge sehnen wir uns aber auch ein wenig nach den vermeintlichen klaren Linien dieser unmittelbaren Vergangenheit zurück, wo doch jetzt nur noch die eigene Haltung zählt: egal wie nah oder fern man sich zu den jeweiligen Errungenschaften der „Neuen Musik“ positioniert, so steht man angesichts der Fülle der Möglichkeiten oft genug alleine auf weiter Flur.

Kein Wunder, dass „Heroen“ im Fokus des ersten Abends stehen. Besonders das „Vigilia“-Konzert mit CelloPassionato unter Julius Berger widmet sich mit Namen wie den zuvor schon genannten von Arvo Pärt und Wilhelm Killmayer sowie Sofia Gubaidulina dem antidogmatischen Aufbruch 50 Jahren, von dem auch die Uraufführungen von Oscar Strasnoy und Markus Schmitt zehren dürften. Eröffnet wird der Abend mit „Aenigma et Stupor“ mit den Solisten Iris Lichtinger (Blockflöte und Gesang) und Stefan Blum (Schlagzeug), welche ein neues Werk des aDevantgarde-Gründers Sandeep Bhagwati für singende Blockflötistin und Schlagzeug mit Werken u.a. von Samir Odeh-Tamini sowie Jörg Widmann mit fernen Klängen von Hildegard von Bingen kombiniert. Für diese beiden kontemplativen Konzerte konnten wir die Allerheiligenhofkirche der Residenz gewinnen.

Der folgende Tag ist ganz den jüngeren Kollegen gewidmet. Mit „my little favourite dogma“ lassen wir Komponisten als eigene Interpreten gekoppelt mit einem weiteren instrumentalen Duo-Partner in den Ring der Bayerischen Akademie der Schönen Künste treten. Dabei sollen sie in kurzen Stücken zeigen, was bei aller kompositorischen Freiheit ihre kleinen persönlichen Dogmatismen sind, wie es Moritz Eggert längst mit „Melodie 1.0“ vormachte. Dieses Stück eröffnet das Konzert.

Abends laden wir in den Musikclub Bobbeaman ein. Zuerst wird das neugegründete Hamburger Decoder-Ensemble im grösseren Rahmen „Dogma.Antidogma“ gegenüberstellen, was von Johannes Kreidlers umstrittener „Fremdarbeit“ über Alexander Strauchs durch Johannes Paul II. Systeme stürzendem Inaugurations-Auspruch „non abbiate paura“ inspirierter Uraufführung bis Gordon Kampes „Nischenmusik“ seinen Platz finden wird. Nach soviel Haltungs-Jogging klingt der Abend mit der „Clubnight“ von Leopold Hurt, Alexander Schubert und den DJ-Gebrüdern Teichmann aus.

Johannes X. Schachtner hatte die Idee zum abschliessenden Konzert, welches mit seinem Titel „missa est“ der mottogebende Höhepunkt des Festivals sein wird. Das Ensemble aDevantgarde und die Gesangssolisten werden unter seiner Leitung eine komplette Neu-Vertonung des Messordinariums in der Universitätskirche St. Ludwig uraufführen. Neben Schachtner stellten sich auch Volker Nickel, Ruby Fulton, Rudi Spring und Manfred Stahnke der Herausforderung, die den Rahmen von liturgisch-dogmatischer Aufgabenstellung und persönlicher künstlerischer Annäherung abmisst.

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